I. Begriff und Zulässigkeit
Das Tätigwerden eines Rechtanwaltes pro bono ist gesetzlich nicht geregelt. Anders als in einigen anderen Rechtsordnungen wie zum Beispiel in den USA besteht auch keine berufsethische Verpflichtung, Mandate pro bono zu übernehmen. Aber was bedeutet pro bono überhaupt und in welchem Rahmen ist es zulässig?
1. Was bedeutet Pro-bono-Tätigkeit?
Eine genaue Begriffsbestimmung gibt es nicht. Kurz gesagt versteht man unter pro bono die anwaltliche Tätigkeit für das öffentliche Wohl. Ausführlicher wird pro bono als vollständig unentgeltliche anwaltliche Beratung oder Vertretung außerhalb von Prozesskosten- und Beratungshilfe verstanden, beziehungsweise als eine Tätigkeit gegen ein Entgelt, das gemessen an der Leistung, der Verantwortung und dem Haftungsrisiko des Rechtsanwalts zu gering ist (Dux, AnwBl 2011, 90). Eine weitere Umschreibung des Begriffs lautet: „Pro-bono-Tätigkeit besteht in der Beratung und Vertretung gemeinnütziger Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und bedürftiger Privatpersonen sowie in dem Engagement zur Förderung und Verbreitung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Ziel der pro bono-Arbeit ist es, das Know-How und die Ressourcen einer Anwaltskanzlei einem guten Zweck zur Verfügung zu stellen und so im Rahmen der beruflichen Tätigkeit bürgerschaftliches Engagement zu entfalten“ (Bälz, Moelle, Zeidler, NJW 2008, 3384).
Kern aller Definitionsansätze sind die Elemente der kostenlosen Rechtsberatung und der Motivation, für das öffentliche Wohl oder einen guten Zweck tätig zu werden. Keine Pro-bono-Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn ein Anwalt unentgeltlich für einen Familienangehörigen oder Bekannten tätig wird. Auch wenn mit der unentgeltlichen Beratung möglicherweise ein guter Zweck verfolgt wird, dem öffentlichen Wohl dient ein solches Tätigwerden in der Regel nicht, der Beratene wäre regelmäßig in der Lage einen Anwalt zu bezahlen. Damit fällt eine unentgeltliche Beratung Nahestehender regelmäßig nicht unter den engeren Begriff der Pro-bono-Tätigkeit (Kilian, AnwBl 2012, 45).
2. Gemeinwohl
Dem öffentlichen Wohl kann hingegen dadurch gedient werden, dass eine mittellose Person vertreten wird, die sonst nie in den Genuss guter anwaltlicher Beratung kommen könnte. Der Zugang zum Recht wird zwar anders als etwa in den USA, weitgehend über die Beratungs- und Prozesskostenhilfe sichergestellt. Jedoch übernehmen gerade spezialisierte Kanzleien oft keine Prozesskostenhilfemandate. Eine weitere Gruppe von Pro-bono-Mandanten sind gemeinnützige Organisationen, die als Vereine oder Stiftungen ausgestaltet sind (Maxwell, epd sozial 2013, Nr. 26, 4), die zudem nur ausnahmsweise Beratungs- und Prozesskostenhilfe erhalten, wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwider laufen würde (BTDrucks. 8/3068 S. 26). Mit Blick in die USA wird klar, dass es gerade die Angelegenheiten sind, bei denen es um die Durchsetzung des ideellen Interesses als solches geht und nicht um subjektive wirtschaftliche Anliegen der Organisation, die eine Pro-bono-Tätigkeit erfordern (Dux, AnwBl 2011, 91). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt zudem Bedürftigkeit des Beantragenden voraus, die bei juristischen Personen regelmäßig nicht vorliegt, da das gesamte Vermögen sowie auch das Vermögen aller Personen berücksichtigt wird, die ein ideelles Interesse am Streitgegenstand haben (Dux, AnwBl 2011, 92).
3. Gesetzliche Rahmenbedingungen
Berufsrechtlich sind der Ausgestaltung des Mandates Grenzen gesetzt. Da die Tätigkeit pro bono kostenlos erfolgt, könnte sie wegen des Gebührenunterschreitungsverbots des § 49 b Abs. 1 S. 1 BRAO unzulässig sein, da geringere Gebühren und Auslagen nur gefordert werden dürfen, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz dies vorsieht (so zum Beispiel bei der Beratung, § 34 RVG). Für die außergerichtliche Vertretung bestimmt § 4 Abs. 1 S. 1 RVG, dass eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden kann, wenn die vereinbarte Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts steht (§ 4 Abs. 1 S. 2 RVG). Die Tätigkeit pro bono bedeutet nicht, dass der Aufwand für die Mandatsbearbeitung geringer ausfällt. Im Gegenteil: vertritt der Anwalt eine gemeinnützige Organisation, ist die zu führende Korrespondenz oft aufwändig. Der Leistung des Anwalts ist es in einem solchen Fall nicht angemessen, wenn das entsprechende Entgelt völlig entfällt.
Gemäß § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO darf der Rechtsanwalt im Einzelfall besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung tragen durch Ermäßigung oder Erlass von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags. Eine vorherige Absprache, die keine Gebühren vorsieht, fällt nicht unter die Ausnahmeregelung. Dem Anwalt ist es zwar möglich, vorab Unentgeltlichkeit in Aussicht zu stellen, eine insoweit bindende Vereinbarung kann er mit dem Mandanten aber nicht treffen.
Mit der Regelung des § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO wird bezweckt, dass Anwälte nicht in unzulässiger Weise mit kostenloser Beratung werben und die Qualität der angebotenen Dienstleistungen unter den gesenkten Preisen leidet. Pro-bono-Tätigkeit ist aber nicht Beratung zu Dumpingpreisen, sondern unentgeltliche Beratung (Dux, AnwBl 2011, 94), es fehlt schon am notwendigen Marktbezug (Kilian, AnwBl 2012, 46). Da deshalb ein Wettbewerb hinsichtlich der Gebühren gar nicht stattfindet, fällt die Pro-bono-Tätigkeit nicht unter den Regelungszweck der Vorschrift. Zudem sind eben oftmals gemeinnützige Organisationen betroffen, für die ein Pro-bono-Mandat tatsächlich den Zugang zum Recht sicherstellen kann. Dies unterstützt auch § 6 RDG, der unter bestimmten Voraussetzungen die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch Nichtjuristen erlaubt, sofern sie unentgeltlich erfolgt. Wenn ein Rechtsunkundiger kostenlos rechtsberatend tätig werden darf, sollte es erst recht für den rechtskundigen Anwalt gelten. Nach Sinn und Zweck des Gebührenunterschreitungsverbots steht die berufsrechtliche Regelung der Zulässigkeit der Pro-bono-Tätigkeit nicht entgegen.
II. Rechtliche Einordnung
Wie lässt sich das unentgeltliche Tätigwerden eines Anwalts für einen guten Zweck rechtlich einordnen? Diese Frage stellt sich schon deshalb, weil die Art des Rechtsverhältnisses Anknüpfungspunkt für den Haftungsmaßstab ist.
1. Beweggrund für pro bono
Für die Frage der rechtlichen Einordnung spielt das Motiv für die Pro-bono-Tätigkeit eine zentrale Rolle. Ein möglicher Grund kann die Steigerung des Ansehens nach außen sein. Gute Außendarstellung und Reputation der Kanzlei verhilft nicht nur dazu, neue Mandate zu gewinnen, sondern ist auch der Anwerbung neuer Mitarbeiter förderlich (Bälz, Moelle, Zeidler, NJW 2008, 3384). Auch die eigene soziale Verantwortung (von Seltmann, Dahns, NJW-Spezial 2012, 703) oder der Gedanke, sich sozial zu vernetzen (Bälz, Moelle, Zeidler, NJW 2008, 3384) können eine Rolle spielen.
2. Abgrenzung zur bloßen Gefälligkeit
Ein Mandatsverhältnis ist regelmäßig als Geschäftsbesorgungsvertrag einzuordnen. Die Pro-bono-Tätigkeit könnte aber auch ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis sein, das zum einen dadurch gekennzeichnet ist, dass es eine unentgeltliche Leistung zum Inhalt hat. Für eine Gefälligkeit spricht auch, dass die Leistung aus rein altruistischen Gründen erbracht wird. Kein Gefälligkeitsverhältnis liegt allerdings vor, wenn der Leistende sich rechtlich binden möchte. Davon ist bei Pro-bono-Tätigkeit regelmäßig auszugehen, gerade wenn ein Anwalt aufgrund seiner besonderen fachlichen Expertise die Beratung übernimmt, das Rechtsverhältnis zum Mandanten ist als Mandat zu qualifizieren.
III. Frage der Haftungserleichterung
Davon ausgehend, dass es sich um ein Anwaltsmandat handelt, kommt eine Haftungserleichterung nicht allein aufgrund der rechtlichen Einordnung der Pro-bono-Tätigkeit in Betracht. Es stellt sich die Frage, ob eine Haftungsbegrenzung auf anderem Wege erreicht werden kann, und gegebenenfalls in welchem Umfang.
Die Pro-bono-Tätigkeit ist keine „abgespeckte“ Variante des anwaltlichen Tätigwerdens, sondern inhaltlich und qualitativ gleichwertig – nur kostenlos. Wenn nun ein Anwalt unentgeltlich tätig wird, erscheint es auf den ersten Blick unbillig, ihn für Fehler, die ihm unterlaufen, vollumfänglich haftbar zu machen. Andererseits widerstrebt es einem auch, den Mandanten, der aufgrund des Spezialwissens des Anwalts auf eine ordnungsgemäße anwaltliche Vertretung vertraut hat, auf einem Schaden sitzen zu lassen. Man könnte daran denken, die Haftung für fahrlässige Pflichtverletzungen durch Vereinbarung zu beschränken (§ 52 BRAO). Bei besonders haftungsträchtigen Mandaten sollte über diese Möglichkeit nachgedacht werden, angesichts der summenmäßigen Begrenzung ist sie in der Praxis meist unzulänglich. Für den Fall, dass in einer Sozietät nur ein Anwalt pro bono tätig wird und die anderen Sozien dieses Risiko nicht mittragen möchten, besteht außerdem die Möglichkeit einer personellen Haftungsbeschränkung (§ 52 Abs. 2 S. 2 BRAO).
Dass es Einzelfälle gibt, in denen diese Möglichkeiten alleine nicht ausreichen, wird unter anderem deutlich am Beispiel der sogenannten „law clinics“. Der Deutsche Anwaltsverein organisiert beispielsweise in Kooperation mit dem Europäischen Rat der Rechtsanwaltschaften (CCBE) auf der griechischen Insel Lesbos eine Art „law clinic“, in der Flüchtlinge mit kostenlosem Rechtsrat versorgt werden (AnwBl 2017, 310). In dem Projekt leisten europäische Anwälte, die auf dem Gebiet des Asylrechts spezialisiert sind, im Flüchtlingscamp Moria pro bono individuelle Rechtsberatung für Flüchtlinge. Den dort tätigen Anwälten stehen nicht die gleichen juristischen Instrumentarien zur Verfügung wie am Kanzleischreibtisch. Ansetzen könnte man in solchen Einzelfällen daher am Verschuldensmaßstab, je nach Ausgestaltung der konkreten Beratungssituation. Wenn es dem Anwalt zum Beispiel nicht möglich ist, gründliche Recherchen durchzuführen, weil er nicht von seiner Kanzlei aus, sondern vor Ort beim Mandanten, womöglich sogar im Ausland, tätig werden muss und ein Zugang zu Rechtsliteratur nicht besteht, könnte man einen Rechtsirrtum als unverschuldet ansehen. Hier wären die Gerichte in Haftpflichtprozessen aufgerufen, eine sorgfältige Abwägung vorzunehmen. In solchen Haftpflichtfällen wird darüber hinaus oft auch kein kausaler Schaden entstehen, weil die betreffenden Mandanten sonst überhaupt nicht beraten worden wären.
IV. Schlussbemerkung
Für Pro-bono-Mandate besteht trotz Beratungs- und Prozesskostenhilfe Bedarf, und es ist wichtig, diese Tätigkeiten nicht unnötig zu erschweren. Aus Haftungssicht gibt es zwar keine grundsätzliche Privilegierung. Hier ist die Rechtsprechung aufgefordert, den Umständen und Besonderheiten der Probono-Tätigkeit Rechnung zu tragen und das individuelle Verschulden des Anwalts sowie die Kausalität mit Augenmaß zu prüfen. Pro-bono-Mandate sind über die Berufshaftpflichtversicherung im gleichen Maße versichert, wobei – wie generell – der Deckungsumfang (zum Beispiel für Auslandstätigkeiten) überprüft werden sollte.